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UNA MADREEine MutterBuch und Regie: Stefano Chiantini Italien 2024
Deva sitzt immer ganz hinten im Bus, der sie nach Hause bringt - zu einem kleinen elenden Wohnwagen, in dem sie mit ihrer ausgeflippten Mutter Giovanna lebt. Ihr im Kragen der Jacke verstecktes Gesicht zeigt eine für ein junges Mädchen ihres Alters unnatürliche Härte. Mit dieser Härte führt Deva nach einer traumatischen Erfahrung ihr Leben, ohne sich einen Moment der Pause oder Entspannung zu gönnen. Dann lernt sie die 60jährige Carla kennen und fängt an, in deren Fischgeschäft zu arbeiten. Und sie trifft dort Carlas einjährigen Enkel, auf den sie gelegentlich aufpassen muss. Wider Willen fasst Deva schließlich eine Zuneigung zu dem Kleinen. Etwas beginnt sich zu ändern.
Ich glaube, dass Frauen eine größere Verantwortung tragen, darunter auch die Verantwortung, Mutter zu sein. Sicherlich kann das Muttersein auch heute noch zahlreiche Schwierigkeiten mit sich bringen, und eine Frau kann sich in dieser Situation aus verschiedenen Gründen in einer materiellen Lage der emotionalen Schwäche und Verletzlichkeit befinden. Una madre erzählt davon, es geht um eine junge Frau unter vielen, die in einem bestimmten Moment ihres Lebens die Rolle der Mutter übernimmt. Es ist eine filmische Untersuchung, die die Seele und die Emotionen der Protagonistinnen einbezieht und durch eine schlichte und nüchterne Erzählweise versucht, die psychologische Dynamik zu analysieren und innere Turbulenzen aufzudecken. In dieser Hinsicht fühle ich mich dem Kino von Ken Loach nahe. Mich fasziniert die nüchterne und rhetorikfreie Art, mit der er von der Gesellschaft erzählt und gerade von denjenigen, die an ihrem Rand leben.
Dem Titel zufolge ist es eine, im Film sind es drei, eigentlich sogar vier: Die erste ist Deva. Sie lebt in Armut in einem Wohnwagen auf einem schlammigen Feld, sie ist Tochter und hat sich entschieden, keine Mutter zu sein und trägt die Spuren davon (Blut, Schmerz), sie kann nicht kommunizieren (Liebe, Bedürfnisse, Verletzungen) und ist daher mürrisch, still, effizient und immer auf der Suche nach Arbeit, um sich über Wasser zu halten. Die zweite lebt mit ihr zusammen, es ist ihre Mutter: Sie lässt sich täuschen, ausbeuten, für das Wenige bezahlen, das ihr noch bleibt, nämlich ihren Körper, und sie ist unglücklich darüber, Mutter zu sein, trinkt, und könnte ohne ihre Tochter nicht überleben. Die dritte ist in erster Linie eine Großmutter, Carla: Sie hat einen kleinen Fischladen, in dem sie Deva Arbeit gibt, sie zieht allein ein Kleinkind groß, sie ist menschlich und fehlbar, und sie hat eine Tochter, die sie nicht retten konnte. Nur eine einzige wird am Ende, durch eine Fügung des Schicksals, „Mutter“ sein. Stefano Chiantini ist ein konsequenter Regisseur, der sich für die Randgruppen der Gesellschaft, für die unerzählten Geschichten, für die unsichtbaren Menschen interessiert. Das ist eine bewundernswerte, gewagte Herangehensweise. Unsere Filme in Bremen:INDAGINE SU UNA STORIA D’AMORE - Interviews zu einer Liebesgeschichte LA STORIA DEL FRANK E DELLA NINA - Die Geschichte von Frank und Nina |