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Der universelle weibliche Blick
Durch einen beiläufigen, aber aussagekräftigen Zufall sind alle Filme (bis auf einen) von Italia! Cinema! in diesem Jahr von Regisseurinnen gedreht, und alle (ohne Ausnahme) haben starke Frauenfiguren im Mittelpunkt. Ein Zufall, da bei der Auswahl der Titel nicht beabsichtigt war, ein bestimmtes Geschlecht zu bevorzugen, aber bedeutsam, da es ein Phänomen des zeitgenössischen italienischen Kinos bestätigt, in dem es immer mehr Regisseurinnen mit einer starken Autorenpersönlichkeit gibt. Es handelt sich also um ein "weibliches" Kino, aber auch um ein universelles, denn die gebotenen Filme behandeln allgemeine Themen unserer Zeit - Identität, die Schwierigkeiten der Arbeitswelt, die Gefühlskrise - jedoch mit einer "anderen" Sensibilität und einem oft überraschenden Blickwinkel. Im Mittelpunkt der Filme steht fast immer ein Bruch, den es zu überwinden gilt, eine schmerzhafte Wunde, die geheilt werden muss, sei es um den Preis harter Opfer (Come pecore in mezzo ai lupi, Primadonna), sei es einfach durch eine kleine Willensanstrengung (Volare).
Im Mittelpunkt von Come pecore in mezzo ai lupi von Lyda Patitucci steht Stefania (Isabella Ragonese), die eigentlich Vera heißt, weil sie ein Doppelleben führt: Sie ist Polizeibeamtin und arbeitet als verdeckte Agentin in einer gefährlichen Verbrecherbande. Sie ist hart, effizient und mutig, wenn sie sich den Risiken ihres Jobs stellt, aber alles wird schwierig für sie, als ihr Bruder, der gerade aus dem Gefängnis kommt und verzweifelt Geld braucht, sich der Bande anschließt. Das Pflichtgefühl gerät in Konflikt mit den familiären Gefühlen, die Strenge mit der Verlockung eines möglichen Kompromisses. Die Entscheidung wird unausweichlich und unumkehrbar sein.
Eine vielleicht vermeidbare, aber ebenso unumkehrbare Entscheidung ist die von Lia (Claudia Gusmano), der weiblichen Hauptfigur in Marta Savinas Primadonna. Die junge Lia lebt in den 1960er Jahren in einem süditalienischen Städtchen, arbeitet mit ihrem Vater auf dem Feld, ist beliebt und nimmt an kirchlichen Ritualen teil (sie ist so schön, dass sie die Madonna darstellen darf). Der Sohn eines mächtigen Mafiabosses hat es auf sie abgesehen; das Werben scheint zwar erfolgreich, aber der junge Mann will keine Zeit verlieren und wendet so eine dörfliche "Regel" an, die sogenannte "fuitina" (Entführung des Mädchens, Vergewaltigung, Vergebung). Vor vollendete Tatsachen gestellt, bleibt nur noch die Möglichkeit der Anzeige oder der Heirat zur Wiedergutmachung. Das ganze Dorf und die Behörden (Bürgermeister, Pfarrer, Carabinieri) drängen auf die Heirat, nur die junge Frau wehrt sich dagegen und nimmt alle Konsequenzen auf sich. An ihrer Seite bleiben bezeichnenderweise nur ihre Familie, ein Anwalt, über dessen Privatleben gewisse Gerüchte kursieren und eine "gutherzige" Prostituierte. Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit und spielt in den 1960er Jahren. Er zeigt also Situationen und Verhaltensweisen, die heute überholt sind, wobei das Problem der Vormachtstellung der Mächtigen und der Ungerechtigkeit leider noch aktuell ist.
Dieci minuti von Maria Sole Tognazzi erzählt die Geschichte der Niederlage und der möglichen Wiedergeburt einer psychisch labilen Frau. Bianca (Barbara Ronchi) wurde von ihrem Mann verlassen und erkennt nach einem Selbstmordversuch, dass sie bisher nicht bewusst gelebt hat. Mit Hilfe einer Psychiaterin versucht sie, auch mit ungewöhnlichen Methoden, wieder auf die Beine zu kommen. Die "zehn Minuten" des Titels sind die, die die Frau jeden Tag einem ganz persönlichen Vergnügen widmen soll. Zehn Minuten scheinen nichts zu sein, stellen jedoch ein kleines kostbares Erbe dar, das es zu bewahren und zu schätzen gilt.
Die Protagonistin von Volare von Margherita Buy ist Anna Bettini (von Buy selbst gespielt), eine berühmte Schauspielerin, die an einem entscheidenden Wendepunkt ihrer Karriere steht. Sie hat einen Vertrag für die Hauptrolle in einem wichtigen Film am anderen Ende der Welt unterschrieben, lehnt aber wegen ihrer Flugangst ab. Es scheint ein unüberwindbares Hindernis zu sein, so dass sie weiterhin mit wenig Begeisterung in einer mittelmäßigen Fernsehserie mitspielt. Es gibt jedoch eine Sache, die sie beunruhigt. Sie hat ihrer Tochter seinerzeit versprochen, sie nach Kalifornien zu begleiten und will sie nicht enttäuschen. Um den Mut dafür zu finden, besucht sie einen Kurs zur Überwindung ihrer Flugangst und trifft dort auf Menschen, die noch verzweifelter sind als sie selbst, aber auch die Kraft, ihr Selbstwertgefühl wiederzufinden. Margherita Buy, die hier ihr Regiedebüt gibt, erzählt eine scheinbar seichte Geschichte, die aber auf (mehr oder weniger reale) Hindernisse anspielt, die das Leben bestimmen können.
Eine weitere Schauspielerin, die mit Karriereschwierigkeiten zu kämpfen hat, ist auch die Protagonistin von Giovanni Veronesis Romeo è Giulietta. Die junge Vittoria (Pilar Fogliati) hat einen Fehler gemacht, der ihre künstlerische Zukunft gefährden könnte. Sie muss sich irgendwie rehabilitieren, indem sie in einem wichtigen Stück - Shakespeares Romeo und Julia - mitspielt, am besten sogar in der Hauptrolle. Sie hätte das Zeug dazu, wird aber von dem unerträglich egozentrischen und neurotischen Regisseur auf üble Weise abgewiesen. Dank der Hilfe einer guten Maskenbildnerin (die ebenfalls auf Rache aus ist) bewirbt sich die als Julia abgelehnte Vittoria für die Rolle des Romeo – mit Erfolg. Es wird nicht an Missverständnissen und Peinlichkeiten mangeln, aber am Ende steht die Enthüllung ihrer weiblichen Natur. Neben der ausgezeichneten Fogliati profitiert der Film von der schauspielerischen Leistung von Sergio Castellitto.
Die Hommage an Giulietta Masina, die das Programm abrundet, ist ebenfalls "weiblich". Anlässlich des 30. Todestages der großen italienischen Schauspielerin wird Giulietta degli spiritivon Federico Fellini gezeigt.
Zwischen Drama und Komödie, Identitätskrisen und unausweichlichen Lebensentscheidungen erzählen die Filme der diesjährigen Auswahl von Italia! Cinema! nicht nur vom "Weiblichen" im Kino, sondern auch von einem besonders problematischen Moment unserer Zeit. Ein Moment, der nicht durch künstliche Geschlechterschranken, sondern nur durch Begegnungen mit anderen und durch Selbstvertrauen überwunden werden kann.
Viel Vergnügen!
Piero Spila
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