Logo Cinema! Italia! Header

36 Städte, 40 Kinos

 

Die Zeichen der Zeit

Wir leben in schwierigen Zeiten, die Kriegswirren halten an, die Umweltprobleme häufen sich, und das Kino ist wie so oft ein Seismograph, der in Form von Geschichten und Unterhaltung die Nöte und Sorgen aufzeichnet, aber auch zum Nachdenken und zu etwas Optimismus anregt. Die Filme von Cinema! Italia! erzählen von individuellen und kollektiven Ängsten, inszenieren jedoch gleichzeitig die Entscheidung der Protagonisten, zu reagieren und sich zu engagieren, indem sie Hindernisse überwinden und dabei auf unerwartete Solidarität stoßen. Das ist die Welt, in der wir leben, wenn wir sie zu sehen wissen, und die das Kino in seinen besten Momenten zu zeigen vermag.
Antonio, der Protagonist von Grazie ragazzi von Riccardo Milani, ist ein Schauspieler in einer beruflichen Krise, der aus Not das Angebot annimmt, einen Theaterworkshop im Gefängnis zu leiten. Eine Aufgabe, die er nur ungern wahrnimmt, vor allem nach den ersten Schwierigkeiten und angesichts des Misstrauens seiner „eingesperrten“ Schauspieler. Antonio beschließt, Becketts Warten auf Godot zu inszenieren, das Stück, mit dem er viele Jahre zuvor debütiert hatte, und plötzlich springt der Funken über, die Schüler beginnen mitzumachen und er kämpft wie ein Löwe gegen die Gefängnisbürokratie und die ersten Enttäuschungen. Am Ende stellt sich der Erfolg ein, aber was zählt, ist die Erlösung von Antonio und seinen neuen Freunden.
Auch die jungen Protagonisten von Niccolò Falsettis Margini lieben die Unterhaltung. Sie sind talentierte Punk-Musiker, aber das Problem ist, dass sie in einer Provinzstadt leben, die ihnen wenig Raum und fast keine Aufmerksamkeit bietet. Um etwas Abwechslung zu schaffen, beschließen sie, ein Konzert mit einer berühmten amerikanischen Band auf Europatournee zu organisieren. Leichter gesagt als getan. Es fehlt an allem - an einem Ort, der Tausende von Zuschauern aufnehmen kann, und an der notwendigen technischen Ausrüstung - aber sie geben nicht auf, machen Schulden, lassen Freundschaften und Familien zerbrechen und erreichen schließlich ihr Ziel. Auf das Konzert folgen Strafanzeigen und reißerische Schlagzeilen, aber sie sind schon bereit für die nächste Herausforderung.
Auch Marta, eine Theaterregisseurin und Protagonistin des Films Beata te von Paola Randi, hat einen verborgenen Wunsch in ihrem Herzen. Sie feiert ihren 40. Geburtstag im Kreise ihrer Freunde und macht sich Sorgen wegen des Stücks, das sie gerade inszeniert, aber ihr wahres Problem ist, dass ihr Kinderwunsch immer weiter in die Ferne rückt. Sie scheint sich damit abgefunden zu haben, doch dann geschieht der Coup de théatre, mit dem sie nicht gerechnet hat: Erzengel Gabriel in weißem Gewand und mit der Stimme von Papst Franziskus verkündet ihr die bevorstehende Mutterschaft. Wahrscheinlich handelt es sich nur einen Traum, aber mit vielen Elementen der Realität.
Gabriele Santoro, der Protagonist von Roberto Andòs Il bambino nascosto, scheint zu Beginn des Films zufrieden mit seinem eintönigen Leben ohne Aufregungen. Er ist Klavierlehrer am Konservatorium und lebt allein in einem Arbeiterviertel in Neapel. In der Nachbarschaft operiert mehr oder weniger verborgen die Camorra, aber das scheint ihn nicht zu kümmern, er liebt seine Bücher und seine Musik. Da ergibt sich zufällig eine Gelegenheit: ein Junge, dessen Leben ernstlich in Gefahr ist, versteckt sich in seiner Wohnung. Eigentlich müsste Gabriele ihn so schnell wie möglich loswerden, doch er hält sich zurück, beschließt diesmal, seinen eintönigen Alltag zu unterbrechen und sogar sein Leben aufs Spiel zu setzen. Das ist eine Herausforderung, aber vor allem ein Wunsch nach Erlösung.
Der Wunsch von Tarek, dem jungen Protagonisten von Fulvio Risuleos Notte fantasma, ist viel einfacher: Er möchte so schnell wie möglich nach Hause, aber es ist spät, es fährt keine U-Bahn und so beschließt er, zu Fuß zu gehen. Da verkompliziert sich plötzlich die Lage durch eine Begegnung, die zunächst im Zeichen des Gesetzes zu stehen scheint: Auf der einen Seite steht Tarek, ein "anständiger" junger Mann, der ein Bagatelldelikt begangen hat (er hat ein bisschen Marihuana für seine Freunde besorgt), auf der anderen Seite ein Polizist in Zivil, der entschlossen scheint, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Er sollte ihn eigentlich auf die Polizeiwache bringen, aber stattdessen zaudert er und fährt mit ihm durch das nächtliche Rom voller Überraschungen und Gefahren. Nach einer Reihe von Begegnungen, Schlägereien und Verfolgungsjagden ändert sich bei Tagesanbruch plötzlich alles, und der scheinbar Stärkere der beiden erweist sich als viel verletzlicher und gefährdet. Ein spannendes Roadmovie, das viele aktuelle Themen berührt (Einwanderung, städtischer und sozialer Verfall, Drogen), in dem aber vor allem die Einsamkeit und das Unglück schutzloser Menschen zum Vorschein kommen. Eine der Stärken des Films ist die schauspielerische Leistung von Edoardo Pesce und dem jungen Yothin Clavenzani.
Abgerundet wird das Programm von Cinema! Italia! von einer Hommage an die große italienische Schauspielerin Anna Magnani, 50 Jahre nach ihrem Tod, und an einen Meister des italienischen Films und der Literatur wie Pier Paolo Pasolini. Die Wahl fiel auf Mamma Roma (1962), ein Werk im Zeichen der Begegnung zweier außergewöhnlicher Künstlerpersönlichkeiten.

Viel Vergnügen!

Piero Spila