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Die Kraft der Gefühle und die Wurzeln
In schwierigen und gefährlichen Zeiten (traurige Nachrichten erreichen uns weiterhin von den Kriegsfronten) scheint das Kino seine wahre Berufung wiederzufinden, indem es die Kraft der Gefühle, die Bedeutung der Wurzeln, vor allem wenn diese bedroht sind, und die Notwendigkeit von Begegnungen und Solidarität in den Vordergrund rückt. Es ist interessant, dass sich alle Filme der diesjährigen Veranstaltung des Festivals Cinema! Italia! unabhängig voneinander, aber stimmig mit diesem Bedürfnis auseinandersetzen.
Paolo und Lucia, die Protagonisten von Indagine su una storia d’amore von Gianluca Maria Tavarelli, leben seit acht Jahren zusammen und befinden sich in einer ruhigen (und etwas monotonen) Routine. Sie haben auch berufliche Schwierigkeiten (sie sind Schauspieler und die Engagements sind rar), sodass sie versucht sind, ihrem Trott etwas Schwung zu verleihen. Das ist nicht unbedingt eine gute Idee, vor allem da sie sich auf das vergiftete Terrain der Reality-Shows und den mittlerweile weit verbreiteten Exhibitionismus im Fernsehen einlassen. Tavarelli präsentiert mit viel Humor eine kleine, enttäuschende Liebesgeschichte, die jedoch am Ende zu einer Lebensphilosophie wird (am besten, man bleibt sich selbst treu). Auch die jungen Protagonisten von La storia del Frank e della Nina von Paola Randi wollen um jeden Preis sie selbst bleiben. Nina, eine alleinerziehende Mutter, Frank, ein blonder Poet mit losen Moralvorstellungen, und der sprachlose Gollum, der sich nur mit Graffiti ausdrücken kann. Ihrem kleinen Traum gegenüber steht ein archaisches und postmodernes Mailand und eine von Korruption und Egoismus verdorbene Gesellschaft. Eine modernes Märchen, das Paola Randi mit den Tönen einer originellen und akrobatischen Punkballade erzählt, und dabei ein wenig an die Poesie von Miracolo a Milano und ein wenig an die glückliche Amoralität von Jules und Jim anklingt.
Zwei Frauenfiguren stehen im Mittelpunkt von Anna von Marco Amenta und Una madre von Stefano Chiantini. Starke Persönlichkeiten in großen Schwierigkeiten, die sich jedoch nicht unterkriegen lassen und vor allem nicht ihre Natur verraten wollen. Anna, die Protagonistin des gleichnamigen Films, beschließt nach einer unglücklichen Erfahrung in Mailand, in ihre Heimat Sardinien zurückzukehren und die Tätigkeit ihres Vaters, die Schafzucht, wieder aufzunehmen. In einer normalen Situation sollte dies nicht allzu schwer sein, doch stattdessen muss sie sich mit der harten Realität der Gegenwart auseinandersetzen: Bauspekulation, bürokratische Korruption, sogar Drohungen und Gewalt. Sie ist allein, kämpft mit bloßen Händen, aber ihr Kampf ist es wert, geführt zu werden. Die andere junge Frau, Protagonistin von Una madre, lebt in einem Wohnmobil und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Sie ist in sich gekehrt, verletzt durch die moralische Schuld einer Abtreibung, die nicht heilen will. Ihr Schicksal scheint besiegelt, doch langsam ändert sich etwas, gerade dank der Begegnung mit anderen Menschen und einem auf wundersame Weise wiedergefundenen Selbstvertrauen. Ein Film, der den Außenseitern gewidmet ist, um etwas Universelles auszudrücken.
Confidenza von Daniele Luchetti, nach einem Roman von Domenico Starnone, erzählt von Entfremdung und Obsession. Die Entfremdung betrifft Pietro, den Mathematiklehrer und Protagonisten des Films (ein großartiger Elio Germano), der nie er selbst sein kann und immer von einem möglichen Anderswo (verpasste Gelegenheiten, mögliche Gelegenheiten) angezogen wird; die Besessenheit betrifft das, was passieren könnte, und beeinflusst und vergiftet daher die Gegenwart. Und doch entspringt alles einer Idee der absoluten Liebe (Vertrauen, Hingabe), aber nachdem die Liebe endet, kommen gegensätzliche Gefühle auf (Misstrauen, Unsicherheit, Alarmbereitschaft). Daniele Luchetti konstruiert gekonnt einen Film, in dem nicht die Wahrheit erzählt wird, sondern das Gespenst der Wahrheit, das schlechte Gewissen, mit dem man sich auseinandersetzen muss.
Das Programm von Cinema! Italia! wird durch eine Hommage an Francesco Rosi zehn Jahre nach seinem Tod abgerundet. Um an einen der bedeutendsten Meister des italienischen Kinos zu erinnern, präsentieren wir die restaurierte Fassung mit deutschen Untertiteln von Le mani sulla città, der 1963 beim Filmfestival in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Der Film spielt im Neapel der 1960er Jahre, und in der letzten Einstellung erscheint der Schriftzug: „Die hier erzählten Figuren und Begebenheiten sind frei erfunden, authentisch ist hingegen die soziale und wirtschaftliche Realität, aus der sie hervorgehen.“ Daran hat sich bis heute wenig geändert.
Piero Spila
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