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CENTOCHIODI

HUNDERT NÄGEL

Ungeheurer Aufruhr in einer ehrwürdigen Bibliothek: Eines Morgens findet man im Lesesaal einhundert wertvolle Bücher mit Zimmermannsnägeln in den Boden genagelt vor. Ins Visier der Polizeiermittlungen gerät bald ein noch junger Philosophieprofessor. Der ist seit jener Nacht spurlos verschwunden: Sein Auto wird an der Straße gefunden, Jacke und Ausweis liegen im Fluss. Doch der Professor ist nicht tot, er beginnt nur ein neues Leben. Er sucht sich eine verfallene Hütte am Ufer des Po und lebt dort in Abgeschiedenheit, doch in zunehmender Freundschaft mit den dortigen Bewohnern, Bauern, Fischern, Verkäuferinnen, einfachen Leuten, die ihn bald wie einen Heiligen verehren…

Der neue Film von Regie-Altmeister Ermanno Olmi („Der Holzschuhbaum“) beginnt wie ein furioser Mystery-Thriller und stellt sich dann die Frage, wie ein moderner Jesus-Nachfolger im Italien von heute handeln würde. Originell und provokativ, ist Centochiodi auch ein flammender Protest gegen eine seelenlose Bürokratie und eine erstarrte Religion, die beide das Wichtigste vergessen haben: Mitmenschlichkeit. Zugleich gelingt es Olmi, den Zauber der Landschaft und den Lebensrhythmus der Menschen in der Poebene in einzigartigen Bildern einzufangen.

Regie: Ermanno Olmi
Drehbuch: Ermanno Olmi
Kamera: Fabio Olmi
Schnitt: Paolo Cottignola
Ausstattung: Giuseppe Pirrotta
Musik: Fabio Vacchi
Produktion: Luigi Musini, Roberto Cicutto für Cinema 11
Darsteller: Raz Degan (der Professor), Luna Bendandi (Zelinda), Amina Syed, Michele Zattara, Damiano Scaini, Franco Andreani

Italien 2007
92 Minuten, OmdtU

Von was erzähle ich im Film und vor allem von wem? Von einem Christus, der jemand wie wir ist, jemand, dem wir zu jeder Zeit und in jedem Ort unseres Lebens begegnen können. Es ist ein Christus auf der Straße, nicht auf dem Altar. Und er ist auf keinem Fall ein Christus der Bücher, wenn sich Altare und Bücher nur zu einem bequemen Formalismus und zur Heuchelei entwickeln und sogar als Vorwand für Unterdrückung dienen.
Ermanno Olmi

Ermanno Olmi, der einsame Poet des italienischen Kinos, hat uns in seinen Filmen sein sehr persönliches Streben nach Spiritualität stets ahnen lassen: Diesmal erzählt er von einem Philosophieprofessor, der auf alles verzichtet, wie der Heilige Franziskus, und sich an das Ufer des Po zurückzieht. Dort lebt er in einer Hütte in enger Gemeinschaft mit den einheimischen Bauern. Centochiodi ist reine Poesie, und die Natur und die Menschen erinnern an L’albero degli zoccoli/Der Holzschuhbaum. Die Bilder sind stets realistisch, lassen aber den Alltag wie durch eine wundersame Magie geprägt erscheinen.
Gian Luigi Rondi, Il Tempo

Centochiodi ist ein modernes biblisches Märchen, in dem man nach einem fulminanten Prolog Orte und Gesichter aus dem Neuen Testament in der Poebene wiederfindet: es sind Bauern und Fischer, die Dialekt sprechen und gewissermaßen die Apostel des von Raz Degan dargestellten modernen Christus verkörpern, des Professors auf der Flucht von unserer erstickenden und korrupten Welt. Ermanno Olmi lässt ihn sagen „Gott spricht nicht über Bücher“ und „kein Buch ist mehr wert als ein Gespräch mit einem Freund“. Zugleich erinnert der Film an viele andere, einfache und zugleich wunderbare Dinge, wie den Zauber eines Tages am Fluss in perfekter Harmonie oder die Lebenslust, die die schöne Bäckerin Zelinda mit ihrem in dem Wind flatternden Kleid ausstrahlt.
Gian Luigi Rondi, Il Tempo

Ermanno Olmi wurde 1931 in Bergamo geboren. Nach mehreren Dokumentarfilmen über die Arbeitswelt drehte er 1959 seinen ersten Spielfilm Il tempo si è fermato. Mit L’albero degli zoccoli/Der Holzschuhbaum erzielte Olmi 1978 einen internationalen Erfolg. 1982 eröffnete er eine Filmschule in Bassano del Grappa, „Ipotesi Cinema”. Ermanno Olmi gilt als einer der großen Altmeister des italienischen Kinos.

Filmographie: Il tempo si è fermato (1959), Il posto (1961), I fidanzati (1962), E venne un uomo (1965), L'albero degli zoccoli (1978), Camminacammina (1983), Lunga vita alla signora! (1987), La leggenda del santo bevitore (1988), Il segreto del bosco vecchio (1993), Genesi: La creazione e il diluvio (1994), Il mestiere delle armi (2000), Cantando sotto i paraventi (2002), Tickets (mit Abbas Kiarostami und Ken Loach, 2004), Centochiodi (2007).