BELLAS MARIPOSAS

SCHÖNE SCHMETTERLINGE

Caterina ist zwölf und lebt mit Eltern und zahlreichen Geschwistern in einer Hochhaussiedlung am Stadtrand von Cagliari, der Hauptstadt Sardiniens. Die Wohnung ist klein, die Patchwork-Familie chaotisch und der arbeitslose Vater ein Tyrann. Das alles stört Caterina nicht übermäßig. Sie beobachtet ihre Umgebung genau, zieht ihre eigenen Schlüsse und wendet sich auch gerne direkt ans Publikum. Im übrigen will sie Rockstar werden. Dann sind da noch ihre beste gleichaltrige Freundin Luna – und Gigi, der unbeholfene Junge von nebenan, der von allen gemobbt wird. An einem heißen Augusttag fahren die beiden Mädchen mit dem Bus ans Meer, baden, essen viel Eis und fühlen sich wie schöne Schmetterlinge. Doch dann müssen sie Gigi vor Caterinas großem Bruder Toni beschützen. Die Ereignisse überschlagen sich, als auch die Polizei, eine Theatertruppe und eine geheimnisvolle Wahrsagerin in die Sache verwickelt werden…

Bellas mariposas ist eine echte Entdeckung, ein Film, der mühelos drastischen Sozialrealismus, jugendliche Unbekümmertheit und fantastische Elemente à la Fellini zu verbinden weiß. Und er hat mit Caterina eine Protagonistin mit eigenwilligem Charme, großartig verkörpert von der jungen Sara Podda, die sich von überhaupt gar nichts unterkriegen lässt.

Regie: Salvatore Mereu
Drehbuch: Salvatore Mereu, nach der gleichnamigen Erzählung von Sergio Atzeni
Kamera: Massimo Foletti
Schnitt: Paola Freddi
Ausstattung: Marianna Sciveres, Pietro Rais
Musik: Train to Roots, Balentes, Antonio Castrignanò, Rosalba Piras
Produktion: Salvatore Mereu für Viacolvento
Darsteller: Sara Podda (Cate), Maya Mulas (Luna), Davide Todde (Gigi), Micaela Ramazzotti (Aleni), Luciano Currelli, Anna Karina Dyatlyk

Italien 2013
100 Minuten, OmU

Cinema!Italia! Cinema!Italia!

Das Herz von Sergio Atzenis Novelle und dieses Films besteht in dem Verschmelzen zweier Dimensionen: dem Realen und dem Imaginären. Sie verbinden sich und lassen sich nicht mehr trennen. Die Novelle kommt ohne Dialoge aus, ist vielmehr ein langer Monolog. Es war eine große Herausforderung, daraus einen Film zu machen. Er spielt in Sant’Elia, einem problembelasteten Viertel von Cagliari, wo ich auch die beiden Protagonistinnen gefunden habe. Aber die Geschichte könnte überall spielen und Caterinas Geschichte wird jeden Zuschauer berühren, ob aus Sardinien oder nicht. Der Film brauchte eine starke Besetzung und einen großen Zusammenhalt zwischen Cast und Crew. Deswegen habe ich alles in chronologischer Reihenfolge gedreht, um so die Freundschaft und das Vertrauen zwischen den beiden Mädchen langsam wachsen zu lassen. Ich hatte keine Garantie dafür, dass ein Verfahren, wie Caterinas direkte Sprache in die Kamera, funktionieren würde. Wir haben mit einer kleinen Mannschaft gedreht, fast wie beim Dokumentarfilm. Und die Gewissheit, dass dabei ein zeigbarer Film herauskommen würde, hatte ich erst nach Abschluss der Dreharbeiten.
Salvatore Mereu

Cinema!Italia! Cinema!Italia!

Bellas Mariposas basiert auf einer wundervollen Erzählung in Monologform von Sergio Atzeni, einem vor kurzem mit nur 43 Jahren verstorbenen sardischen Schriftsteller. Es geht um einen heißen Augusttag in einem Stadtviertel in der Peripherie von Cagliari. Die Handlung könnte auch eine Episode aus Gomorra sein, aber Salvatore Mereus Ansatz ist ein ganz anderer: Caterina selbst erzählt uns ihren Tag. Sie schaut direkt in die Kamera und wendet sich an uns Zuschauer, so dass ein Effekt der Verfremdung à la Nouvelle Vague entsteht. Das Ergebnis ist ein äußerst origineller Film, der ebenso grausam wie unterhaltsam ist. Die quirlige Welt der sardischen Vorstadt erinnert dabei an eine Mischung aus Martin Scorseses Little Italy und einen Slum aus einem Bollywood-Musical. Salvatore Mereu hat echtes Talent und die kleine Sara Podda (wie fast das ganze Cast keine professionelle Schauspielerin) ist eine absolute Offenbarung. Einer der besten italienischen Filme dieser Saison.
Alberto Crespi, l'Unità

Die erstaunlichste Kinofigur dieses Jahres ist ein kleines Mädchen von 12 Jahren: Caterina, die alles weiß, sieht und versteht, oder zumindest fast alles. Und sie erzählt es der Filmkamera ohne eine Pause zu machen, ohne zwischen Fantasie und Realität (oder Italienisch und Dialekt) zu unterscheiden. Und vor allem, ohne jemals irgendjemanden oder irgendetwas zu verurteilen. Auch wenn ihre chaotische Familie und der Wohnblock, in dem sie in einem Vorort von Cagliari leben, nicht gerade vor Harmonie und Wohlstand glänzen. Caterina erscheint dabei wie eine Mischung von Queneaus völlig unbefangener Pariser Zazie in der Metro und einem allwissenden Erzähler aus der Literatur des 19. Jahrhunderts. Und sie kommt auf die Leinwand mit der Kraft eines Wirbelsturms.
Fabio Ferzetti, Il Messaggero

Salvatore Mereu (1965, Dorgali) machte seinen Abschluss in Filmwissenschaften an der Universität Bologna, um dann am „Centro Sperimentale di Cinematografia“ in Rom zu studieren, wo er die Kurzfilme Prima della fucilazione und Miguel drehte. Mit seinem Debüt Ballo a tre passi (2003) gewann er die „Settimana della Critica” in Venedig. 2007 nahm er mit Sonetaula an den Filmfestspielen von Berlin teil. Es folgten Tajabone (2010) und Bellas Mariposas (2012). Salvatore Mereu tauscht den Beruf des Regisseurs zeitweise mit dem des Kunstlehrers.