CORPO CELESTE

FÜR DEN HIMMEL BESTIMMT

Eine Stadt in Kalabrien. Antike Palazzi neben Bauruinen. Das Meer scheint nah und zugleich unerreichbar fern. Hierher zieht die 13jährige Marta mit ihrer Mutter und der älteren Schwester zurück, nachdem sie 10 Jahre in der Schweiz verbracht hat. Hier ist die katholische Kirche noch allgegenwärtig, und der Pfarrer lenkt wie selbstverständlich auch die Politik. Marta nimmt an den kirchlichen Vorbereitungsritualen für ihre anstehende Firmung teil, ist jedoch innerlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Sie ist still und verschlossen, aber gleichzeitig hellwach. Und bald merkt sie, dass sie ihren eigenen Weg gehen will – gegen alle Widerstände…

Regisseurin Alice Rohrwacher, die Schwester der Schauspielerin Alba Rohrwacher, bringt in ihrem Debutfilm ein stimmiges Bild des heutigen Süditaliens auf die Leinwand. Und es gelingt ihr auf beeindruckende Art, von einem Mädchen an der Schwelle zur Frau zu erzählen. Für die Rolle der Marta hat Rohrwacher ein herausragendes Talent gefunden: Yle Vianello trägt die Geschichte mit ihrem authentischen Spiel bis zur letzten Minute. Der in Italien gefeierte Corpo celeste ist ein eindringlicher, mutiger Film – tief in der Wirklichkeit verwurzelt und gleichzeitig voller Poesie.

Regie: Alice Rohrwacher
Drehbuch: Alice Rohrwacher
Kamera: Hélène Louvart
Schnitt: Marco Spoletini
Ausstattung: Luca Servino
Musik: Piero Crucitti
Produktion: Carlo Cresto-Dina für Tempesta-Film
Darsteller: Yle Vianello (Marta), Salvatore Cantalupo (Don Mario), Pasqualina Scuncia (Santa), Anita Caprioli (Rita), Renato Carpentieri (Don Lorenzo)

Italien 2011
110 Minuten, OmdtU

Corpo celeste ist kein Film über Kirche oder Religion. Ich wollte vielmehr ein Stück von Italien zeigen, ich war auf der Suche nach einem Thema, mit dem ich ins Innere unserer Zeit schauen könnte. So kam ich auf das Leben einer Kirchengemeinde am Rande von Reggio Calabria, es war ein guter Ausgangspunkt. Dass ich völlig unwissend war auf diesem Gebiet, erwies sich als großer Vorteil. Denn ich brauchte also eine Vermittlerfigur und kam so auf dieses Mädchen, das in eine für sie fremde Welt versetzt wird und den Zuschauer dort Schritt für Schritt begleitet. Dieses Mädchen brauchte die natürliche Gabe, die Welt mit Staunen und Intelligenz zu betrachten, es musste jemand sein, der zwischen den Dingen stand. Corpo celeste soll weder predigen, noch eine Position beziehen. Es ist ein Film, der von dem Blick seiner kleinen Protagonistin lebt, die ihre Welt fast wie eine Außerirdische betrachtet.
Alice Rohrwacher

Cinema!Italia! Cinema!Italia!

Eine neue Regisseurin ist geboren! Corpo celeste gehört zu den besten Regiedebüts der letzten Jahre. Das liegt nicht nur an der Geschichte des Films, sondern vor allem an dem Stil, den die junge Filmemacherin durchgehend von der ersten bis zur letzten Einstellung beibehält, ein wenig wie von Rossellini inspiriert. Alice Rohrwacher beherrscht sie vollkommen, diese fragile Geschichte, und zieht uns hinüber in eine andere Welt: die Pfarrei, die Katechismus-Stunden, die Rituale einer Provinzkirche. Es ist nicht etwa die feierlich-entrückte Welt von Habemus Papam, sondern eine, die sich direkt in das Leben der Menschen einmischen möchte. Der Blick der Regisseurin ist ein weltlicher, sie nimmt nicht teil, aber sie urteilt auch nicht. Ein weiterer Film über den Glauben und darüber braucht man sich gar nicht zu wundern: im Land des Vatikans müssen sich auch die Laien mit der Kirche auseinandersetzen und es ist interessant, dass sie dies durch universell gültige Geschichten schaffen.
Alberto Crespi, l’Unità

Cinema!Italia!

Die größte Gabe der Jungregisseurin ist ihr teilnahmsvoller Blick, mit dem sie über ihre Figuren wacht: Da sind die heimatlos gewordene Marta und ihre Mutter, die einzige, die Marta lieben und verstehen kann. Und die einfältige Santa, die Katechismus-Lehrerin, die ihre Schüler mit dem Eifer und der plumpen Einfältigkeit derer drangsaliert, die so sehr Teil einer Welt sind, dass sie das Absurde daran nicht mehr erkennen können. Was aber von dem Film besonders in Erinnerung bleiben wird, sind Raum und Landschaft: die grotesken Autobahnüberführungen der modernen Großstadt, die Einöde ausgetrockneter Flussbetten, paradoxerweise der einzig lebendige Ort; die Serpentinen zu dem Geisterdorf, wo der Pfarrer das alte Kruzifix einsacken will und wo Marta plötzlich sehr viele Dinge zu verstehen beginnt, über die Welt und über sich selbst.
Fabio Ferzetti, Il Messaggero

Alice Rohrwacher, 1982 in Fiesole (Toskana) geboren, wächst als Tochter einer italienischen Mutter und eines deutschen Vaters auf, ihre Schwester ist die Schauspielerin Alba Rohrwacher. Nachdem sie an einigen Dokumentarfilmen Pierpaolo Giarolos mitgewirkt hat, debütiert sie 2006 mit ihrem eigenen Dokumentarstreifen Checosamanca als Regisseurin. Kurz darauf gibt sie mit Corpo celeste auch ihr Kinodebüt.

Spielfilme: Corpo celeste (2011).